Krisen, Tod und Sterben als Chance
Warum schreibe ich Chance, wenn wir Krisen, Tod und Sterben oft als Ende ansehen?
Krisen, Tod und Sterben sind Einschnitte in unserem Leben, die gewaltige Kraft der Veränderung in sich bergen. Nichts ist mehr so, wie es war. Wir werden gezwungen, über unser Leben, über unsere Existenz nachzudenken. Wir sind immensen intensiven Gefühlen ausgesetzt, wie Schmerz, Trauer, Angst und Unsicherheit.
Das wird zu unserer Chance, sich mit diesen Gefühlen und Gedanken zu befassen. Es bedarf Offenheit und Mut, diese Gefühle zu fühlen und sie zuzulassen. Haben wir das geschafft, öffnen sich die Tore zu unserer Kreativität. Es entstehen neue Ideen und Möglichkeiten, neue Perspektiven und vielleicht auch neue Schwerpunkte für und in unserem Leben. Sie werden sehen, dass es sich lohnt.
Schmerz durch Verlust
Was sagt uns der Schmerz, den wir im Falle eines Verlustes erleben?
Er ist doch der Hinweis darauf, wie sehr wir geliebt haben. Er ist der Preis dafür, dass wir fähig waren, jemanden oder etwas zu lieben und uns im Inneren damit zu verbinden. Um so weniger die Verbindung, desto weniger stark die Bindung und unsere Trauer.So erleben wir den Schmerz der Liebe, die nun in der Leere des Verlustes auftaucht. Gleichzeitig können wir Dankbarkeit in uns spüren, dass wir fähig waren, Liebe zu (er-)leben und das Geschenk bekamen, Wertgeschätztes zu erfahren.
(Fortsetzung folgt..)
Glück und Leid – gehören zusammen? (Frtsg.)
Ich stehe am Meer und genieße einen wunderschönen Sonnenuntergang. Ich bin überwältigt vor Glück und gleichzeitig überkommt mich ein tiefer Weltenschmerz.
Warum in unserem Leben steckt im tiefsten Glück das tiefste Leid?
Vielleicht, weil wir nur das Glück erleben, wenn wir es im Kontrast zu Leid erfahren?…
Manchmal ist es so, dass unsere Fähigkeit, Schmerz eines Verlustes auszuhalten, unsere Fähigkeit Schmerz zu ertragen, übersteigt. Und dennoch bin ich froh, mich für das tiefe Einlassen von Liebe und Glück entschieden zu haben. Auch wenn ich weiß, dass ich immer mal wieder oder irgendwann den Preis dafür zahlen muss.
Partnervermittlung
Herr S. kommt zu mir in die Trauerbegleitung. Er hatte vor 6 Monaten seine geliebte Ehefrau verloren, mit der er seit 33 Jahren verheiratet war. Herr S. hält sich tapfer, probiert neue Angebote aus und ist offen für neue Kontakte im Trauercafé und seiner Gemeinde. Nun erzählt er mir doch sehr ergriffen von seiner letzten Erfahrung: „Als mich ein besonders verzweifelter Moment von Einsamkeit ergriff, schaute ich in die Zeitung und suchte eine Telefonnummer einer Partnervermittlung auf. Nicht lange saß jemand davon in meinem Wohnzimmer, um einen Vertrag auszuhandeln. Ich musste alles erzählen, meine Wohnlichkeiten zeigen, mich gefühlt „nackig“ machen. Ich verlor meinen klaren Kopf und unterschrieb den Vertrag. Erst später ging mir auf, wie unverschämt teuer diese Vermittlung sein sollte. Ich musste mir einen Rechtsanwalt nehmen, der für mich Widerspruch einlegte. Das alleine wird mich 800 Euro kosten.“
Herr S. ist ernüchtert und fühlt sich ausgenutzt. Offensichtlich spielt man mit der emotionalen Notlage und überrumpelt Menschen, die sich in der Neuorientierung befinden, aber noch nicht standfest genug sind, solche Machenschaften zu durchschauen.
Herr S. möchte andere davor warnen. Er weiß nicht, ob er noch einmal solch einen Versuch unternehmen wird. Ich bestärke ihn, damit zu warten, bis es aus ihm heraus wächst und keine emotionale Notreaktion ist. Denn dann kann er mit klarem Kopf agieren.
Trauertag
Neulich kam eine Trauernde zu mir. Auf die Frage, wie es ihr ginge, antwortete sie: „Es wird besser. Nur zwischendurch habe ich noch einen Trauertag.“
Trauertag – Ich stutze und merke mir diesen Begriff. Also gibt es zwischendurch Tage, die der Trauer gewidmet sind. Man fühlt die Abwesenheit des geliebten Menschen, es schmerzt, Traurigkeit erfüllt den Tag. Unter anderen Tagen, die mit Neugierde, Zufriedenheit, Gleichmut und Freude angefüllt sind.
Wieso „zelebrieren“ wir nicht auch mal unsere traurigen Tage bewusst? Sie gehören zu unserem Leben, das sich zwischen den Polen abspielt. Ohne schlechte fühle ich keine guten Tage, ohne Licht kein Dunkel. Wenn wir anfangen, das zu akzeptieren was ist und nicht damit in Widerstand gehen – und dann noch aufhören, zu beurteilen, dann sind wir im Fluß.
Und letztendlich weiß keiner von uns, wozu was ist oder war.
Der Tod hat mich erreicht
Neulich hatte ich eine Trauernde bei mir in der Begleitung. Sie war Anfang 60 und ihr Lebenspartner war ganz plötzlich verstarben. Sie hatte ihn in ihrer Wohnung abends tot vorgefunden.
„Der Tod hat mich erreicht,“ sagte sie. Zum 1. Mal sei ihr bewusst geworden, daß unser Leben am seidenen Faden hängt. „Was sie daraus lerne“, frage ich sie. Zusammen schauten wir nach für sie sinnesfüllenden Dingen, die sie noch erleben oder machen möchte. Wichtig fand ich auch, an ihrer Jenseitsvorstellung zu arbeiten.
Ist alles nach dem Tod vorbei oder bekommen wir immer wieder eine neue Chance für jetzt verpasste und nicht getroffene Entscheidungen? Ich bin der Meinung, daß es sich lohnen würde, dieser Frage nachzugehen. Je nach Antwort kann sie unser Leben bestimmen.
Der „Stille Gast“
Wenn ich Sitzungen mit Klienten habe, zünde ich immer eine Kerze an und lade im stillen alle guten Mächte zwischen Himmel und Erde ein.
Neulich meinte eine Klientin, die ihren Schwiegersohn, ihre Tochter und Ehemann verloren hatte, sie würde zu Hause auch immer eine Kerze anzünden. Für ihre „stillen Gäste“. Ich finde diesen Ausdruck sehr gelungen für unsere Verstorbenen für diejenigen, die daran glauben, dass mit dem Tod nicht alles endet. Wir sprechen ihnen damit eine Einladung aus und bekommen gleichzeitig das Gefühl, dass sie uns nahe sind. Wir ehren sie und „er-innern“ sie – sprichwörtlich – spüren wir sie in unserem Inneren.